Das Web3 bringt mit Blockchain, NFTs, Metaversen und DAOs neben neuen Technologien und Marktpotential auch zahlreiche rechtliche Herausforderungen mit sich. Für einen erfolgreichen Sprung ins Web3 sollten Unternehmen frühzeitig ihre Geschäftsmodelle auf rechtliche und steuerliche Aspekte prüfen.
Die wesentlichen Treiber der Entwicklung vom als „Web 2.0“ bezeichneten Internet zum „Web3“ sind die Blockchain-Technologie sowie neue Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI). Vor allem durch die Einführung von NFTs (non-fungible Tokens) sind binnen kürzester Zeit zahlreiche neuartige Geschäftsmodelle und teils milliardenschwere Märkte entstanden.
Verschiedene Technologieunternehmen entwickeln derzeit unterschiedliche Varianten eines „Metaverse“, das als dreidimensionales, virtuell „begehbares Internet“ beschrieben werden kann. In einem Metaverse, können sich Personen in Form von Avataren begegnen, miteinander interagieren und die unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
Die hier nur ansatzweise dargestellten Entwicklungen bieten Unternehmen derzeit zahlreiche Möglichkeiten, für und mit ihren Kunden neue Web3-spezifische Produkte und Erlebnisse zu schaffen. Manche Expert:innen sprechen von einer „once in a life time“, also einmaligen Situation.
Es wird deutlich: Das Web3 birgt ein enormes Potential und sehr bald werden weitere Märkte mit einem erheblich gesteigertem Wettbewerbsumfeld entstehen.
Wie auch in der „echten Welt“ gilt auch im Web3 und Metaverse: Überall dort, wo ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit, Kunden und schließlich um Marktanteile und Umsätze herrscht, ergeben sich neben ökonomischen und technologischen Herausforderungen regelmäßig auch zahlreiche Rechtsfragen.
Web3: Neue Technologien, neue Märkte… und viele neue Rechtsfragen
Wenn überhaupt lässt sich die derzeitige Entwicklung des Web3 mit den Anfängen des Web 2.0 zu Beginn der 2000er Jahre vergleichen. Die mit der zunehmenden Verbreitung und kommerziellen Nutzung des Internets verbundenen tiefgreifenden ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen haben seit der Jahrtausendwende zu zahlreichen neuen rechtlichen Fragestellungen und schließlich zur Entwicklung des sogenannten „Internetrechts“ geführt. Hierzu gehörten u.a.:
der im Bereich des E-Commerce relevante Vertragsschluss im Internet
verbraucherrechtliche Fragen rund um das Widerrufsrecht bei Online-Käufen sowie
Anforderungen an AGB, Impressum und Datenschutz.
Die anfangs größtenteils illegale Nutzung und Verbreitung von Musik, Filmen und anderen Inhalten (Filesharing) warf verschiedene urheberrechtliche Fragen auf. Die Registrierung „fremder“ Domainnamen führte zudem zu einer Vielzahl von marken- und namensrechtlichen Auseinandersetzungen. Bis heute stellen sich zahlreiche Fragen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, der Verfolgung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und bei Fällen von Marken- und Produktpiraterie. Insbesondere die große Frage zur Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber wie Facebook (Meta), Google, X (Twitter) und Co. für dort bereitgehaltene Angebote beschäftigt bis heute die Gesetzgeber und Gerichte dieser Welt.
Es gibt kein „Internet-Gesetzbuch“ und auch kein „Web3-Gesetz“.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Gesetzgebung in einer solchen Übergangsphase inmitten von tiefgreifenden technologischen und ökonomischen Transformationsprozessen den tatsächlichen Begebenheiten hinterherläuft. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine wegweisenden Gerichtsentscheidungen, die zur Orientierung herangezogen werden könnten.
Juristen müssen daher die bestehenden Gesetze auf die neuen Sachverhalte durch juristische Methodenlehre unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung anwenden. Dies birgt vor allem auf Seiten der im Web3 tätigen Unternehmen eine gewisse Rechtsunsicherheit und wird auf kurz oder lang zu Rechtsstreitigkeiten führen.
Web3: (K)ein rechtsfreier Raum
Blockchain-basierte Tokens wie NFTs ermöglichen es, virtuelle Inhalte und „Gegenstände“ wie beispielsweise virtuelles Land zu erstellen und damit zu handeln. Ebenso können echte, physische Gegenstände mit einem NFT verknüpft werden. Manche NFTs gewähren ein „fraktionelles Eigentum“ an dem physischen Gegenstand. Das NFT dient in diesen Fällen dann meist als „Inhaberpapier“.
Die genaue Ausgestaltung der mit der NFT-Inhaberschaft verbunden Rechte (und ggf. Pflichten) wird regelmäßig in „Smart Contracts“ und den mit den NFT-Angeboten verknüpften Lizenz- bzw. Geschäftsbedingungen geregelt. Hierbei stellen sich aus juristischer Sicht zahlreiche Fragen, u.a.
- zur Frage der Rechtsnatur des NFTs,
- zu Besitz- und Eigentumsrechten,
- sowie zur Übertragbarkeit und Vererbbarkeit von NFTs bzw. den damit verknüpften virtuellen und/oder physischen Gegenständen.
- Welche Rechte hat ein NFT-Inhaber (sog. „Holder“)? Und gegen wen richten sich etwaige Ansprüche für den Fall, dass mit dem NFT „etwas nicht stimmt“, es also „mangelhaft“ ist?
Noch nicht geklärt ist auch die Frage, inwieweit für NFTs ein Verbraucher-Widerrufsrecht gilt, sofern diese von Unternehmen an Verbraucher angeboten werden. Der Wert eines NFT ist regelmäßig in einer Kryptowährung wie Bitcoin oder Ether angegeben und ist schon deswegen sehr volatil. Zudem schwanken die Marktpreise für NFTs teilweise im Minutentakt erheblich.
Kann ein Verbraucher ein NFT binnen 14 Tagen zurückgeben, auch wenn dieses in dieser Zeit massiv an Wert verloren hat? Was passiert bei massiven Wertsteigerungen innerhalb der Widerrufsfrist?
Zahlreiche finanzaufsichtsrechtliche Fragestellungen noch offen
Auch ist zum jetzigen Zeitpunkt weder durch entsprechende Gerichtsentscheidungen noch durch Vorgaben der Finanzverwaltung geklärt, wie die Herstellung von NFTs (sog. Minten), als auch deren privater und vor allem gewerblicher Handel steuerrechtlich zu behandeln sind.
Unter welchen Umständen sind NFT-Angebote wie Wertpapiere zu behandeln und unterliegen somit der Prospektpflicht? Wann sind NFTs als Vermögensanlage oder als Finanzinstrument einzuordnen? In welchen Situationen besteht bei NFTs das Risiko der Geldwäsche? Nach einer Stellungnahme der für diese Fragen zuständigen Behörde (BaFin) kommt es für die aufsichtsrechtliche Einordnung von NFTs stets auf den jeweiligen Einzelfall an.
Wie riskant die Herausgabe von NFTs für Unternehmen sein kann, zeigt jedoch die kürzlich erfolgte Anklage eines US-Unternehmens durch die US-Börsenaufsicht SEC. Wegen des „nicht-registrierten“ Anbietens von NFTs, mit dem das Unternehmen knapp 30 Mio. USD eingenommen hatte, kam es zu einer Strafzahlung von knapp 6 Millionen USD und weiteren Maßnahmen.
Datenschutzrechtliche Aspekte und Fragen des Persönlichkeitsrechts in Metaverse-Umgebungen
Insbesondere in Metaverse-Umgebungen spielen vor allem auch datenschutzrechtliche Aspekte und Fragen des Persönlichkeitsrechts eine wichtige Rolle.
Neben den im Web2-Bereich regelmäßig erfassten personenbezogenen Daten (z.B. IP-Adresse, Benutzernamen, E-Mail-Adresse, etc.) werden dort noch weitere Daten erhoben, wie insbesondere die besonders sensiblen biometrischen Daten bei der Avatar-Nutzung.
Bisher ungeklärt ist bisher zudem auch noch, wer für Datenschutz und Datensicherheit in auf Dezentralität und Transparenz basierenden Blockchain-Netzwerken verantwortlich sein soll.
Auch die mit der Blockchain-Technologie aufkommende neue Organisationsform der dezentralisierten autonomen Organisation (kurz DAO) wirft juristische Fragen, vor allem im Bereich des Gesellschaftsrecht auf. Aufgrund ihrer dezentralen und anonymen Struktur, der in der Regel ein zentrales bzw. hierarchisches Management und somit auch eine verantwortliche natürliche Person und eine „Haftungsmasse“ fehlt, lässt sich eine DAO derzeit (noch) nicht einer bestehenden Rechtsform des deutschen Gesellschaftsrechts zuordnen (z.B. GbR, Kapitalgesellschaft, Genossenschaft, Verein oder Stiftung). Hier kommt es (wie so oft) auf den Einzelfall an.
Die Frage nach dem geistigen Eigentum bei NFT-Projekten
NFTs beinhalten meistens visuelle Elemente (wie z.B. Bilder, Videos und Musik) und teilweise auch Namen, Logos und sonstige Markenbestandteile der jeweils an dem Projekt beteiligten Unternehmen und Personen (z.B. Künstler). Diese Inhalte sind in der Regel urheberrechtlich und/oder markenrechtlich zugunsten unterschiedlicher Rechteinhaber geschützt.
Soweit es sich um „offizielle“ Kooperationsprojekte zwischen zwei oder mehreren Unternehmen (wie beispielsweise bei den Projeklen von adidas und den Bored Apes, Tiffany & Co. und den CryptoPunks zuletzt etwa bei „Doodles x Crocs„, der Kooperation der Web3-Lifestyle-Marke „Doodles“ mit dem Schuhhersteller „Crocs“) handelt, können die rechtlichen Beziehungen zwischen sämtlichen Projektbeteiligten im Vorfeld vertraglich geregelt werden.
Wenn geistiges Eigentum jedoch unerlaubt im Rahmen von NFT-Projekten verwendet wird, stehen die betroffenen Rechteinhaber vor verschiedenen neuartigen Herausforderungen:
Das Web3 ist international und durch die Blockchain-Technologie dezentral strukturiert. Aufgrund der sich daraus ergebenden Anonymität der Teilnehmer ist es schon nicht ohne weiteres möglich, den Herausgeber der NFTs als den „Rechtsverletzer“ zu identifizieren.
Auch die Inanspruchnahme der beteiligten Handelsplattform, über die das NFT angeboten wird, ist nicht ohne weiteres möglich. Hier stellt sich u.a. die Frage nach der Haftung dieser Plattform für die Rechtsverletzung. Zudem haben die relevanten Plattformen ihren Sitz außerhalb der EU, was eine juristische Inanspruchnahme zusätzlich erschwert.
Zudem stellt sich noch das rein faktische Problem, das einmal hergestellte („gemintete“) NFTs nicht von einem Dritten (auch nicht von dem Plattformbetreiber), sondern in der Regel nur von dessen jeweiligen Inhaber zerstört werden können („geburnt“). Ein möglicher Unterlassungsanspruch gegen den Plattformbetreiber liefe somit ins Leere.
Um rechtssicher durch das Metaverse zu navigieren, ist neben Fachwissen über die Web3-Ökonomie auch die Kenntnis und Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Web3 erforderlich.
Wohin genau sich die hier nur auszugsweise dargestellten Rechtsfragen in der Praxis entwickeln werden, ist derzeit noch nicht abzusehen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine Art „Internetrecht 3.0“ entwickeln wird, das vor allem durch wegweisende Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen geprägt ist. Den Schwerpunkt werden dabei voraussichtlich die Themen Dezentralität und Anonymität sowie die elementaren Unterschiede zwischen der realen und der virtuellen Welt bilden.
Unternehmungen und Organisationen, die den Sprung ins Web3 planen, sollten ihre Geschäftsmodelle daher schon frühzeitig auf die rechtlichen und steuerrechtlichen Besonderheiten hin überprüfen.